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Nach 15 Monaten kam das Pflegekind zur Pflegefamilie

Kurz vor Weihnachten 2008 war es endlich soweit – nach ungefähr 9 Monaten Vorbereitungszeit, einschließlich Informationsabend, Vorbereitungsseminar und vier oder fünf Überprüfungsgesprächen hielten wir stolz ein Schreiben vom Jugendamt in der Hand, das uns als Pflegefamilie qualifizierte. Ab jetzt konnten wir jeden Tag mit einem Anruf von unseren Betreuerinnen von „Familien für Kindern“ rechnen,  der unseren Wunsch, ein Kind aufzunehmen und eine Familie zu gründen, Wirklichkeit werden lassen sollte.

Den Überprüfungsprozess empfanden wir weniger als Überprüfung von Außen sondern vielmehr als Hilfe zur Überprüfung der eigenen Wünsche und Möglichkeiten – auch der eigenen Grenzen. Die Fragen, warum wir eigentlich ein Pflegekind möchten,  welche Probleme wir glauben bewältigen zu können und welche nicht, ob Freunde und Verwandte den Wunsch nach einem Kind mittragen und schließlich, welche Dinge uns in der Erziehung der Kinder besonders am Herzen liegen, hätten mein Mann und ich ohne die sehr professionell geführten Gespräche wohl kaum so intensiv diskutiert. Freunde mit leiblichen Kindern haben uns später erzählt, dass sie sich eine solche intensive Vorbereitungsphase auch gewünscht hätten. Zudem hatten wir das Gefühl, dass unsere Betreuerinnen von „Familien für Kinder“ uns verstanden und in der Zeit gut kennen gelernt haben. Wir waren davon überzeugt, dass sie das richtige Kind für uns finden würden.

Während der Gespräche hatte sich herauskristallisiert,  dass ein Mädchen oder ein Junge im Alter zwischen 0-6 Jahren am besten in unserer Männerpartnerschaft passen würde. Noch vor Abschluss der Überprüfung richteten wir in unserer Zweizimmerwohnung ein Zimmer so ein, dass es unkompliziert den Ansprüchen eines Säuglings oder eines Sechsjährigen angepasst werden konnte. Dann begann das Warten. In den ersten Wochen rechneten wir noch täglich mit einem Anruf. Wir stellten uns voll und ganz darauf ein, dass unserem Leben eine entscheidende Wende bevorstand, wir fuhren ehrenamtliche Tätigkeiten zurück, trauten uns keinen Urlaub mehr längerfristig zu planen und stellten uns ständig vor, wie unser Leben wohl mit einem einjährigen Mädchen, dreijährigen Jungen oder gar mit einem Geschwisterpaar aussehen würde.

Das Warten zog sich hin, nach den neun Monaten Vorbereitung dauerte die „Entbindung“ ganze sechs Monate. Aber dann war es endlich soweit. Im Juni rief mich mein Mann sehr aufgeregt auf der Arbeit an. Das, was ich verstand, war, dass dringend eine Pflegefamilie für einen einjährigen Jungen gesucht wird und dass unsere Betreuerinnen meinen, dass wir die richtige Familie für ihn seien. Schon am nächsten Tag erfuhren wir bei „Familien für Kinder“ mehr über das Kind. Er kam bereits in der 28. Schwangerschaftswoche zur Welt, verbrachte den größten Teil seines ersten Lebensjahres in verschiedenen Krankenhäusern und lebte zurzeit in einem kleinen Kinderheim.  Eines seiner größten Probleme bestand in der Nahrungsaufnahme, die er verweigerte. Nachdem uns unsere Betreuerin die Geschichte des Jungen vorgestellt hatte, verließ sie den Raum, um uns Zeit und Ruhe zum Nachdenken zu geben. Viel Zeit brauchte es allerdings nicht – unser Ja fiel nach gefühlten drei Sekunden.

Als nächstes stand das Gespräch mit der Mutter des Kindes an. Sie hatte im Vorfeld bereits den von uns vorbereiteten Steckbrief über uns erhalten und sich für uns entschieden. Selbstverständlich waren wir sehr aufgeregt, aber durch die Begleitung unserer Betreuerin fühlten wir uns einigermaßen sicher. Trotzdem waren wir erst einmal ziemlich überrascht, als uns die Mutter – die verständlicherweise  nicht weniger aufgeregt war als wir – ganz direkt fragte, warum wir denn meinen, die Pflege Ihres doch sehr kranken Kindes leisten zu können und was uns denn dazu qualifizieren würde. Ich erinnere mich, dass uns die Frage im ersten Moment ziemlich umgehauen hat,  heute ist mir klar, dass mir erst in dem Moment richtig bewusst geworden ist, welche große Verantwortung wir übernehmen wollen. Die Mutter wollte sich für ihr Kind sicher sein. Uns gelang es, sie davon zu überzeugen.

Nach der Zustimmung der Mutter lernten wir endlich unser Pflegekind kennen. Das erste Treffen fand bei „Familien für Kinder“ statt. Danach besuchten wir ihn täglich im Kinderheim, begleiteten die Erzieherinnen bei ärztlichen Untersuchungen, lernten ihm Nahrung und Medikamente zu geben, unternahmen mit dem Kinderwagen die ersten Ausflüge und brachten ihn anschließend ins Bett. Der Junge wurde uns immer vertrauter, und wir ihm. Eigentlich sollte die Eingewöhnungszeit länger dauern, doch schon nach zwei Wochen konnten wir unseren Pflegejungen mit nach Hause nehmen. Wir sind glücklich!